Samstag, 24. Januar 2009
 
And the Big Brother is... PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Big Brother Awards   
Samstag, 28. Oktober 2006

Die Big Brother Awards Austria 2006 sind da. Ausgezeichnet mit dem ungeliebten Preis für besondere Leistungen im Bereich der Bürgerüberwachung und -gängelung in der Nachfolge Orwells Horrorvisonen wurden  am 25.Oktober rote, schwarze und orange Entscheidungsträger sowie ein Finanzdienstleister, ein Medienkonzern und der Erfinder des "Gläsernen Klassenzimmers".

Die Preisträger im Einzelnen:

Günther Gall, SWIFT - für die Auslieferung europäischer Bankdaten an die CIA

SWIFT, die Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication, wickelt im Auftrag von 7.800 Banken in 205 Ländern monopolartig ab.
Seit 2001 werden von SWIFT unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung Millionen Überweisungsdaten auch europäischer Bürger und Firmen ohne rechtliche Grundlage an den US-Geheimdienst CIA übermittelt.
Genaue Angaben über den Umfang dieser Datenweitergabe konnte oder wollte SWIFT bisher nicht machen. Insgesamt dürften mindestens 100 Millionen Überweisungen weltweit seit 2001 betroffen sein.
Durch diese für die österreichischen Bankkunden nicht nachvollziehbare, unkontrollierte Datenweitergabe an US-Behörden wird das österreichische Bankgeheimnis de facto annulliert.
Die Datenschutzbeauftragten der EU-Mitgliedsstaaten, die Internationale Handelskammer und andere Institutionen haben sich über diese illegale Weitergabe von Überweisungsdaten entsetzt gezeigt, sind aber offenbar machtlos.
SWIFT hat bisher keinerlei Anstalten gemacht, die Datenweitergabe einzustellen, geschweige denn die Öffentlichkeit über Art und Umfang des illegalen Datentransfers aufzuklären.
Gewusst von der Affäre hat lange Zeit nur Günther Gall, zuständig in der Raiffeisen Zentralbank für Transaktionsservices und Aufsichtsratsmitglied von SWIFT seit 2001. Gall stellte seine Schweigepflicht als Aufsichtsrat über seine Pflichten als gesetzestreuer Bürger des Staates Österreich, unserem Bankgeheimnis und dem Datenschutzgesetz.


Innenministerin Liese Prokop [ÖVP] - für ihren Überwachungskreuzzug

Noch selten hat sich eine Person so intensiv um einen Big Brother Award beworben. Seit 2005, besonders aber vor der Wahl, tourte die Frau Innenminister durch Österreichs Städte und hinterließ Videoüberwachungsanlagen, wo auch immer sie gastierte. Von Bruck an der Mur, über Graz, Innsbruck, Linz, Mödling, Salzburg, Villach, und Wiener Neustadt ging die Tour nach Wien, wo gleich an drei verschiedenen Orten eröffnet wurde. Mitunter ergeben sich skurile Szenen, wenn Polizeitechniker die Inbetriebnahme aus terminlichen Gründen um Wochen vorziehen mussten.
Wen stört es, dass Drogensüchtige am Wiener Karlsplatz nach wie vorher dealen, drücken, krank werden und sterben - jetzt sind Kameras dabei. Die Effizienz der Kameras, die in Linz die Altstadt überwachen brachte der Linzer Polizeijurist Erwin Fuchs auf den Punkt: "Gewisse Gruppen, die im Vorjahr meist nur zum Stänkern in die Altstadt gekommen waren, sind kaum noch dort unterwegs - "Sie haben sich auf ganz Linz verstreut."
Ebenfalls neu beschafft wurden von der Frau Minister drei automatische Kennzeichenlesegeräte - Stückpreis 50.000 Euro - zur Rasterfahndung auf Autobahnen. Frau Ministerin scheute keine Kosten und Mühen für ihre Bewerbung um einen Big Brother Award.


Johann Janisch, EDV HAK Grazbachgasse - für Hochsicherheit im Klassentrakt oder das überwachte Klassenzimmer

Auch dieses Jahr wurde eine Schule auf dem Weg in den Hochsicherheitstrakt nominiert. Als eine der ersten Schulen Österreichs wurde die HAK Grazbachgasse mit einer umfassenden Smart-Card-Lösung samt Funkchip von Microsoft ausgestattet, die nach eigenen Angaben "alle Stückeln spielt".
Damit lassen sich Schüler/innen von Essensgewohnheiten, bis hin zu den Bewegungen im Gebäude überwachen. Was bei Einsatz eines derartigen Systems in der Praxis passiert hat sich schon gezeigt: Tagelang konnten keine Schulbesuchsbestätigungen ausgestellt werden, sämtliche Fotokopierer funktionierten nicht, Labore konnten nicht genützt werden.
Wie eine gefährliche Drohung liest es sich, dass weitere Features der "educard" bereits in Vorbereitung sind.


Chris Hibbert, Walt Disney TV International - für digitale Entmündigung

Unter der Ägide dieses Herrn erstellt die Arbeitsgruppe des DVB-Industriekonsortiums unter dem Titel "DVB Content Protection & Copy Management" einen Standard für Digital Video Broadcasting zusammen.
Wenn sich dieses Regelwerk, das für digitales TV via Satellit, Kabel, oder Mobiltelefon terrestrisch gelten soll, durchsetzt, führt das zur totalen Entmündigung des Konsumenten.
Zukünftige digitale Fernsehrecorder werden nur unter den Bedingungen aufzeichnen können, welche die Medienanbieter festlegen.
Und zwar nur auf solchen Geräten, die Disney und andere Mitglieder des Konsortiums für geeignet halten und so wie es der Content-Anbieter haben will, auch was das Abspielen betrifft.
Konsumentenschutzorganisationen konnten unter den Mitgliedern des Konsortiums nicht ausgemacht werden, wohl aber das europäische Patentamt. Es kümmert sich um die Rechtssicherheit der Medienkonzerne und ihrer Standards.


Jörg Haider - Big Brother als Landeshauptmann

Kraft seiner Macht als Landeshauptmann trampelt dieser Demagoge, der mehr als einmal gezeigt hat, dass ihm so gut wie jedes Mittel recht ist, seit nunmehr 30 Jahren auf den Rechten der slowenischen Minderheit in Kärnten herum. Mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen wird diese Volksgruppe, die nur ihr verfassungsmäßig garantiertes Recht eingefordert hat, ihren Heimatort auch mit ihrem eigenen Namen auf slowenisch zu benennen, öffentlich gedemütigt und verhöhnt. Einen einmaligen Tiefpunkt in der Schlammschlacht um den rechten Rand der Gesellschaftsmehrheit setzte Haider während des Wahlkampfs, als er der Minderheiten Volksgruppe in übelster "Big-Brother-Manier" öffentlich verkündete, ihre Sprache werde schlichtweg abgeschafft: "Kärnten wird einsprachig."


Brigitte Ederer (Siemens AG Österreich) für die "Dümmste Ausrede"

Einen Sonderpreis ("Pro-Stupiditate") für besonders idiotische Überwachungsmethoden und -maßnahmen erhält Brigitte Ederer, Chefin von Siemens Österreich, für die dümmste Ausrede.
Im neuen Biometrie-Kompetenzzentrum von Siemens wird unter Ederers Regie der Einsatz dieser Technologien aus dem Hochsicherheitstrakt bis hinab in die einfachsten Abläufe des Lebensalltags propagiert: Von Biometrie-Eintrittskontrollen bis zum Getränkeautomaten, der sich nur nach Abgabe eines Fingerabdrucks bedienen lässt.
Eine Verantwortung für die möglichen gesellschaftlichen Folgen dafür will Ederer nicht übernehmen, sondern schiebt sie auf eine Gesellschaft ab, die solcherart von Siemens über diese Technologie "informiert" wird.
Den Umstand, dass ausgerechnet eine Ex-Politikerin, die Zeit ihres politischen Wirkens den Begriff "Verantwortung" bis zum Überdruss strapaziert hat, sich dieser so zu entledigen versucht, fand die Jury unbedingt preiswürdig.


Den Positivpreis "Defensor Libertatis" erhält Hans Zeger von der ARGE Daten. Seit 1983 haben überwachungswütige Politiker und anderer Vertreter des Obrigkigkeitsstaats, private Datendealer und Möchtegern-Alleswisser jeder Art einen Gegner - der heißt Hans Zeger. Seit der Gründung einer der ersten Datenschutzorganisationen überhaupt, der ARGE Daten in Österreich 1983, ist Hans Zeger der Stachel, den auch abgebrühte Politiker und breite, gut eingesessene Bürokratenhintern spüren. Und wenn der ARGE Hans, wie ihn die Szene nennt, schon bei den Mächtigen seit ominösen 23 Jahren keine Freunde hat, hier hat er welche. Und das vor allem deshalb, weil er es schafft - auf gut amerikanisch gesagt - ein permanenter Schmerz im Arsch der institutionellen und privaten Überwacher zu sein.

Quelle und weiterführende Links:
http://www.bigbrotherawards.at:81/2006/Preistraeger
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